Vollverstärker LFD Audio Mistral HR II im Test, Bild
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Einzeltest > Vollverstärker > 05.11.2024

Ganzheitlich

Es gibt sie noch, die echten Geheimtipps. Hersteller und ihre Produkte, die unter dem Radar existieren, auch weil sie das genau so wollen. Dazu gehört die englische Firma LFD Audio.

Vollverstärker LFD Audio Mistral HR II

Manchmal
Manchmal kann ein Verlust zum Gewinn werden. Nach vielen gemeinsamen, erfolgreichen Jahren verlor Input Audio Chef Bernd Hömke einen englischen Partner und gewann mit LFD Audio einen hinzu, mit dem kaum jemand gerechnet hatte. Vor allem auch deswegen, weil viele die Firma überhaupt nicht kennen. Mir ist sie seit Jahren ein Begriff, Freunde schwärmen davon und haben mit Produkten der Firma aus Essex ihre Audiosuche beendet.  

LFD
„Low Fuzzy Distortion“, die kleine Zufallsverzerrung, ist der Namensgeber für die Firma. Sie stammt aus einer Schrift vom Mentor und technischen Ratgeber des Firmenchefs Richard Bews. Der Mann heißt Malcolm Hawksford, ist emeritierter Professor für Elektrotechnik und manchem durch seine Publikationen in der Audio Engineering Society (AES) bekannt. LFD Audio gehört aber Bews, außer ihm und seinem Berater Hawksford gibt es nur noch einen Mitarbeiter, keine Subunternehmer. Mehr Geräte, als die beiden herstellen können, will Bews auch gar nicht produzieren. Das klingt nach Freiheit und nach Luxus.  

Prinzipien
Es macht Sinn, Richard Bews gleich selbst zu Wort kommen zu lassen:“Es kommt einzig und alleine darauf an, wie Sie ein Design umsetzen. Ich glaube, dass die besten Röhren- und Transistorschaltungen dasselbe Ziel verfolgen. Schlechte Implementierungen von Röhren- und Halbleitern scheinen jedoch unterschiedliche Klangeigenschaften zu erzeugen, was dazu geführt hat, dass Designer/Kunden denken, dass mit Röhren ein bestimmter „Klang“ verbunden ist, der sich von dem „Klang“ von Transistoren deutlich unterscheidet.“ Das will Bews auf jeden Fall vermeiden, strebt er doch einen besonders natürlichen Klang an, wofür er sich viel Zeit nimmt. Er beginnt mit einem bestimmten Layout und optimiert das dann Stück für Stück, bis der Verstärker klanglich da ist, wo er ihn haben will. Er sagt ganz klar, und das liebe ich an Menschen wie ihm, dass alle Audioprodukte Fehler haben und kompromissbehaftet sind. Sein Wunsch ist es, die Kompromisse von Anfang an so gering wie möglich zu halten und dafür nimmt er sich eben diese Zeit. Wie er sich das leisten kann, weiß ich nicht, aber ich wollte auch nicht indiskret sein und danach fragen. Bews hat sich mehr als 40 Jahre mit Bauteil- und Kabelqualitäten beschäftigt und dabei viele mögliche Kombinationen heraus gefunden. Es geht ihm nicht um per se gut beleumundete Teile, denn er vermeidet jede HiFi-Ideologie und wie du dir denken kannst, braucht genau das viel Zeit und würde von jedem Controller sofort gestoppt. Aber das hat Bews zum Glück nicht nötig. Er legt seine Designs so einfach wie möglich an, damit er seine Bauteileauswahl noch halbwegs ökonomisch vertreten kann.   

Mistral HR II
Im Fall des Mistral HR II, dessen Ur-Design er schon vor 11 Jahren fertig gestellt hat, ließ sich Bews für die Finalisierung mehr als vier Jahre Zeit – selbstredend nicht am Stück. Bews hat eine irre Sammlung an Bauteilen, von denen viele nicht mehr zu bekommen sind. Und so komponiert er seine Geräte wie ein Maler. Aber Obacht, der Mann hat Physik studiert und einen Doktor in Elektrotechnik.

Vollverstärker LFD Audio Mistral HR II im Test, Bild
Und auch anschlussseitig gibt es keine Überraschungen. Einzig die beiden Cinchbuchsenpaare links, denn das ist die Tapeschleife
Der weiß also, was er tut, nur tut er es anders, als die Lehrbücher das vielleicht vorschreiben. Und er vertraut seinen Ohren. HR steht übrigens für High Resolution, eine Evolution des ursprünglichen Mistral-Designs, hier bereits in der MK II Inkarnation. Das eigentliche Design ist geradlinig, außer einer Tapeschleife gibt es erstmal nichts Besonderes zu sehen. Es verbindet wie bei allen LFD-Vollverstärkern eine passive Vorstufe mit einer aktiven Endstufe. Bews mag die Transparenz passiver Vorstufen und passt die Endstufen entsprechend an. Früher setzte er Mosfets ein, heute sind es bipolare Transistoren. Über die Idee, dass Mosfets röhrenähnlicher klängen, kann er nur lachen. Ein überdimensionierter Ringkerntrafo gehört ebenfalls zum LFDStandard, er gibt Bews den Headroom, den er möchte.  

Feinheiten
Nach Bews Überzeugung bestimmen das Design des Netzteils, die Auswahl der passiven Komponenten und die Wahl der Verkabelung im Wesentlichen den „Klang“.
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Das ist englisch: keine Beschriftung an den Drehreglern und ein quer eingebauter Kippschalter für den Betrieb
Beim neuesten Mistral beispielsweise besteht die Lautsprecherverkabelung aus zwei Abschnitten, es sind zwei verschiedene Leiter in Reihe von der Platine zu den Anschlüssen und völlig unterschiedliche Heiß-/Kaltleiter, so dass für die Verkabelung von der Platine zu den Lautsprecheranschlüssen vier verschiedene Leiter pro Kanal verwendet werden. Bews dazu:“Einer der vier Leiter ist eine Kupfer-Silber-Legierung, die speziell für mich angefertigt wird. Ich gehe bei der Auswahl der Komponenten und der Verkabelung sorgfältiger vor als die Hersteller von Produkten, die das 10-fache kosten, denn das ist meine Art, mein Ziel der Natürlichkeit und Transparenz zu erreichen.“  

Für die passive Vorstufe des Mistral HR II baut Bews ein Kohleschichtpoti ein, das er in Fernost anfertigen lässt, um eine gute Kanalbalance bei niedrigen Pegeln zu erreichen. Dazu sagt er:“Das ist ziemlich schwierig, da mehrere Leiterbahnen sich je nach Dämpfung verjüngen. So erfordert ein bescheiden aussehendes Produkt einen erheblichen technischen Aufwand. Ich bevorzuge im Allgemeinen den Klang von Kohleschicht-Potis, aber sie haben das Problem schlechter Kanalgleichheit bei niedrigen Pegeln. Wenn Sie mein Kohlepoti durch ein blaues Alps-Poti ersetzen würden, würde der Verstärker weniger natürlich und weniger musikalisch klingen, also keine gute Idee.“ Außerdem verwendet er gerne Metallfilmwiderstände von Dale, die nach seiner Erfahrung nicht wie viele andere Metallfilmtypen komprimiert, flach und teilweise hell klingen. Und trotzdem betont Bews, dass ein Designer, der behaupte er habe eine einzigartige Schaltung oder ein spezielles Bauteil gefunden, höchstwahrscheinlich Märchen erzählt. „Viele verschiedene Faktoren bestimmen den Klang, nicht ein, zwei.“

Klangvermögen

Der Klang des LFD entzieht sich dem Hektischen, dem schnell mal Hineinhören und demjenigen, der auf oberflächliche Reize steht. So ging es mir auch zuerst. Ich schloss ihn an, ließ ihn spielen und konnte nicht recht verstehen, was an ihm so besonders sein sollte. Bis ich nach einigen Tagen Old Man von Neil Youngs Massey Hall Konzert 1971 auflegte. Das forderte auf einmal meine ganze Aufmerksamkeit. Die Aufnahme habe ich vor Jahren zum ersten Mal bei einem Freund in Vicenza auf einem großen Hornsystem gehört. Wenn ich jetzt sage, dass ich mit dem LFD und den kleinen Dynaudios da wieder anknüpfen konnte, klingt das vielleicht unglaubwürdig, ist aber genau so. Youngs hypnotische Stimme und die dazu passende Gitarrenbegleitung entheben mich meines Alltags und blenden alles um mich herum aus. Auf eine vergleichbare Art und Weise zieht mich der LFD in Crystal Silence, die nur zwei Jahre später entstandene, legendäre Duettaufnahme von Gary Burton und Chick Corea. Das wunderschöne, meditative Flirren des Vibraphons und als Kontrast dazu das teils perkussive Klavierspiel Coreas bekommen dank des LFD eine Qualität, die ich so zuvor noch nie gehört habe. Wie er das realisiert? Ich weiß es nicht. Um mich wieder zu erden, bleibe ich in den 1970er Jahren und lasse mich vom lässigem 70s Jazz der Firma CTI umgarnen. Freddie Hubbard und Stanley Turrentine geben mir noch einmal ein Gefühl für den schwindenden Sommer. Wie selbstverständlich finden und verweben sich Melodielinien und Improvisationen. Typische HiFi-Kriterien deckt der LFD Audio Mistral HR II natürlich auch ab, alles ist da, aber nicht im Vordergrund. Irgendwie scheint das Gerät es für selbstverständlich zu halten, dass er der Aufnahme entsprechend Räume, Klangfarben, Bässe, Mitten und Höhen bereit stellt. Er macht nur keine große Sache daraus, denn es geht doch schließlich um die Musik und nicht um HiFi. Oder?  

Gemessen:  

Vollverstärker LFD Audio Mistral HR II im Test, Bild


Messtechnik-Kommentar: Der LFD-Vollverstärker liefert im Labor eine sehr ordentliche Vorstellung ab. Sein Frequenzgang verläuft kanalgleich und geradlinig bis an die 100 Kilohertz. Acht-Ohm-Lasten sind ihm eindeutig lieber, hier schafft er etwa 45 Watt, an vier Ohm sind’s nur noch derer 33. Die Fremdspannungsabstände betragen -79 / -78 Dezibel(A), die Kanaltrennung etwas knappe -57 / - 53 Dezibel(A) an acht / vier Ohm, jeweils bei einem Watt Ausgangsleistung. Der Klirrfaktor liegt mit 0,16 / 0,12 Prozent unter gleichen Bedingungen wie vorher im grünen Bereich. Im Leerlauf genehmigt sich der Verstärker sparsame 11 Watt aus der Steckdose.


Unterm Strich...

Man kann einen Verstärker wie den LFD Mistral HR II auch überhören, wenn man sich nicht die Zeit für ihn nimmt. Tut man das, wird man mit einem Klang belohnt, der einen näher zur Musik bringt.

KategorieVollverstärker
ProduktMistral HR II
HerstellerLFD Audio
Preis4150 Euro
Getestet vonChristian Bayer
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Christian Bayer
Redakteur / Tester

Christian Bayer


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