Platte Ozzy Osbourne – No More Tears (Epic / Sony Music) im Test, Bild
Die ungefähre Lesezeit beträgt 5 Minuten
Musikrezension > Platte > 23.09.2025

Ozzy Osbourne – No More Tears


Genre: Metal, Hard Rock

1991. Die Rockwelt befindet sich im Umbruch. Viele Hardrockbands fallen lediglich durch Schmuseballaden und grauenhafte 3-Wetter-Taft-Frisuren auf, während Grunge, Crossover und Alternative sich anschicken, ihre Messages bis in die hintersten Provinzen zu blasen. 

MTV präsentiert fast jede Woche einen neuen heißen Scheiß, Hausfrauen bügeln zu „Nothing Else Matters“ und Guns N’ Roses schwelgen in einem Größenwahn, der seinesgleichen sucht. Aber es ist auch das Jahr, in dem „No More Tears*“ erscheint. Sicher, der Ozzman hatte zu dieser Zeit schon Legendenstatus und eine ansehnliche Liste von Klassikern veröffentlicht. Von Black Sabbath zum legendären Solo-Debüt „Blizzard of Ozz“ bis hin zu „Bark at the Moon“ und „Ultimate Sin“ – alles unverzichtbare Genreklassiker. Ozzy Osbourne musste der Welt nichts mehr beweisen, er war der Prince of Darkness, der herrlich verspulte Bürgerschreck, den man einfach lieben musste. Und dennoch markiert „No More Tears“ den absoluten Höhepunkt seines Schaffens. Warum? Nun, lehnen wir uns doch einfach mal zurück und lassen „No More Tears“ noch einmal durch die Gehörgänge fegen... „Mr. Tinkertrain“ eröffnet den Reigen. Man hört singende und lärmende Kids, eine alte Spieluhr setzt ein... erst schnell, dann immer langsamer werdend. Und dann: Ka-Bautz! Zakk Wyldes lärmende Gitarre setzt ein. Wie ein angeschossener Löwe. Randy Castillos Drums poltern los, man weiß gar nicht, wie einem geschieht. Dann dieser unglaublich groovende Stampfrhythmus und der Ozzy-Train nimmt Fahrt auf. Ein Opener vor dem Herrn und jeder weiß, was die Stunde geschlagen hat. „I Don’t Want to Change the World“, zusammen mit Ozzys Freund Lemmy verfasst, reckt beide Fäuste in die Luft und verpasst sämtlichen Kritikern und bigotten Moralaposteln eine saftige Maulschelle: „You tell me I am a sinner, I got news for you... I spoke to God this morning and he don’t like you...“ (sic!). „Mama, I’m Coming Home“ muss man niemandem mehr vorstellen. Eine schöne Ballade zum Schmachten und Luft holen. „Desire“ ist perfekt gespielter Hardrock mit leichtem Bluesfeeling, der in dieser Form auch gut auf „Ultimate Sin“ Platz gehabt hätte. Aber kein Song fängt den Spirit und den genialen 

Wahnsinn von Ozzy so gut ein wie der Titeltrack „No More Tears“. Es beginnt mit einer ikonischen Basslinie, die einem die Darmzotten nach hinten föhnt, dann setzen Drums und Keys ein, es entsteht ein epischer Sog, der einem den Atem raubt. Dann wieder Zakk Wylde, dessen Gitarre klingt, als wolle sie sich beim London Symphony Orchestra bewerben. Ozzy singt die erste Strophe, unterfüttert von einem Riff, so brutal und groovy wie ein bis an die Zähne bewaffneter Kirmesboxer. Ein genialer Kontrast, der seinesgleichen sucht. Ein samtener Backstein? Karamellüberzogene Rasierklingen? Egal... das hier ist ganz großes Kino. Im Mittelteil taumelt der Song dann in den absoluten Wahnsinn: Beatles-Harmonien, Funkgerätstimmen und sphärische Keys leiten eines der besten und packendsten Gitarrensolos der Rockgeschichte ein. Das ist der Moment, in dem sich Zakk Wylde unsterblich machte. Pure Ozzy Magic! Die zweite Hälfte von „No More Tears“ hält die Qualität konstant hoch und glänzt mit „Hellraiser“, ebenfalls von Lemmy geschrieben und Jahre später mit Motörhead nochmal aufgelegt, dem Percussion-Stampfer „Zombie Stomp“, der Bluesrock-Granate „A.V.H.“ und der schönen Ballade „Road to Nowhere“. 

Mit diesem kongenialen Album hat sich Ozzy nicht nur eine eigene Frischzellenkur verabreicht, sondern nachdrücklich bewiesen, dass man harten Rock fernab von Klischees und Haarspray- Attitude präsentieren kann. Hinzu kommt eine Riege von Klassemusikern, von denen sich besonders Zakk Wylde hervorhebt, und eine wunderbar breitärschige und pompöse Produktion von Duane Baron und John Purdell, die Druck, Eingängigkeit und Wahnsinn perfekt und homogen verbindet. Die 30th Anniversary Edition von „No More Tears“ wartet u. a. mit den tollen B-Sides „Don’t Blame Me“ und „Party with the Animals“, einigen Demoaufnahmen und Livemitschnitten auf. Fazit: „No More Tears“ ist ein unverzichtbarer Klassiker im Ozzy-Katalog und sein absolutes Meisterwerk. Es besitzt alle Signatures, die man vom Ozzman erwartet – und geht sogar darüber hinaus. Mut, Chuzpe, ein begnadetes Händchen für harte Rockmusik und eine gute Portion Ironie runden das Gesamtbild ab. Wenn man „No More Tears“ hört, wird einem wieder klar, wie überlebensgroß Ozzy war – und was für ein Verlust sein Tod ist.

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Fazit

Zurücklehnen, Volume auf 11 und dem Prince of Darkness zuhören.


TitelOzzy Osbourne – No More Tears
LabelEpic / Sony Music
Angehört vonLars Bartmann
Vorheriger Test

Vijay Iyer / Linda May Han Oh / Tyshawn Sorey – Compassion - Genre: Jazz

Nächster Test

Patrick Wolf – Crying the Neck - Genre: World-Folk-Country-Pop

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Lars Bartmann
Redakteur / Tester

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