Vollverstärker Canor Virtus A3 im Test, Bild
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Einzeltest > Vollverstärker > 26.09.2025

Einer für alles

All-in-one-Geräte liegen im Trend. Nicht ohne Grund finden sich in dieser Ausgabe (LP 6-2025) eine ganze Reihe von Konstruktionen, die die Anzahl der Geräte in einer HiFi-Anlage drastisch reduzieren können. Eines der beeindruckendsten Exemplare der Spezies stammt aus der Slowakei.

Vollverstärker Canor Virtus A3

Jawohl, Canor mal wieder. Dieses höchst innovative, in der zweitgrößten Stadt der Slowakei (Prešov) beheimatete Unternehmen, dass seit 30 Jahren lustig Röhren- und Halbleitertechnologie mischt und immer mit überzeugenden Ergebnissen zu gefallen weiß. Vor gut zwei Jahren war ich dort mal zu Besuch, staunte nicht schlecht über die schieren Dimensionen des Unterfangens und darüber, für wieviele namhafte Hersteller hier entwickelt und gefertigt wird. Selbige Hersteller sind verständlicherweise nicht sonderlich daran interessiert, solche Kooperationen öffentlich zu machen, was uns an dieser Stelle aber nicht besonders kratzen muss – Canor selbst hat soviele interessante Pfeile im Köcher, dass wir uns ausschließlich um Geräte dieser Marke kümmern können. Ein paar Eindrücke von meinem damaligen Besuch gibt’s am Ende dieser Strecke.   

Unser aktuelles Objekt der Begierde heiße „Virtus A3“, kostet rund 6000 Euro und ist nur auf den ersten Blick ein Vollverstärker, tatsächlich nämlich stellt der 18 Kilogramm schwere Brocken praktisch eine komplette HiFi-Anlage dar – von den Lautsprechern und diversen Quellgeräten mal abgesehen. Unter dem Deckel des Virtus A3 verstecken sich ein kräftiger Hybrid-Vollverstärker, ein leistungsfähiger D/A-Wandler und eine sowohl MM- wie MC-taugliche Phonovorstufe.   

Der Hersteller gibt unumwunden zu, dass es sich bei dem Gerät um eine der aufwändigsten Entwicklungen der Firmengeschichte gehandelt hat, und wenn man mal einen Blick unter den Deckel wirft, wird deutlich warum: Der hier getriebene Aufwand ist nämlich äußerst beeindruckend – dazu später mehr. Erst einmal wollen wir uns mit dem „Geswicht“ des Virtus A3 beschäftigen, denn das verfügt über die eine oder andere Überraschung. So sind wir schon daran gewöhnt, dass Canor-Geräte über bestens ablesbare gelbe Punktmatrix- Displays mit dem Bediener kommunizieren, was auch beim A3 der Fall ist. Doch damit nicht genug. Während es im Zentrum des ebenfalls üblichen zentralen Drehimpulsgebers bis dato immer ein beleuchtetes Firmenloge zu sehen gab, setzte man hier erstmals auf ein integriertes rundes Farbdisplay, das zudem (natürlich) auch noch touch-fähig ist. Das ermöglicht trotz einer Vielzahl von Funktionen ein sehr aufgeräumtes Frontplatten-Layout und den Beibehalt des typischen Canor-Looks.  

Einschalten? Das geht mit einer sanften Berührung besagten runden Displays. Welches sogleich eine Röhre darstellt, die von einem umlaufenden „Aufwärm-Timer“ ergänzt wird. Besonderes Gimmick:

Vollverstärker Canor Virtus A3 im Test, Bild
Sehr hübsch: Der VU-Meter-Modus für das Display im Drehknopf
Die symbolisch dargestellte Röhrekathode glüht mit ablaufender Aufwärmzeit immer mehr. Komplett überflüssig, aber sehr nett gemacht. Und jetzt, liebe Smartphone- Verweigerer, müsst ihr ganz tapfer sein: Die Eingangswahl beim A3 erfolgt nämlich mittels „Wischen“ auf diesem Display. Und zwar von links nach rechts. Das funktioniert – vermutlich bedingt durch die begrenzte Größe des Touch-Panels - nicht ganz so souverän wie bei einem modernen Smartphone, aber dennoch zuverlässig. Selbstverständlich kann man auch nach oben und unten wischen: Nach unten fördert ein Ein-/Ausschaltsymbol zu Tage, mit dem man das Gerät in den Standby- Modus schicken kann. Nach oben wischen offenbart einen Dimmer, mit dem man die Helligkeit beider Displays verändern kann. Doch damit nicht genug. Wischt man von hier aus abermal nach rechts, gibt‘s eine ganze Reihe weiterer Einstellmöglichkeiten. So kann man einen „Bildschirmschoner“ entweder in Gestalt eines Stereo- VU-Meters mit Zeigern anwählen oder – wie damals – das Firmenlogo. Außerdem kann man Eingänge für den Heimkino- Durchschleifbetrieb konfigurieren, die Eingänge grob vorpegeln (plus drei oder sechs Dezibel) oder nicht benutzte Eingänge komplett vom „Scrolling“ ausschließen. Das integrierte Phonoteil erweist sich als erfreulich flexibel. Es gibt vier unterscheidliche Verstärkungen zwischen 40 und 66 Dezibel, vier Kapazitätswerte für den MM-Betrieb (50 bis 400 Picofarad) und fünf Impedanzen für den MC-Betrieb (10, 50 und 100 Ohm, 1 und 47 Kiloohm). Damit kann man arbeiten.  

Weitere Bedienelemente gibt‘s nicht, sehr wohl aber zwei Kopfhöreranschlüsse: Neben einem im klassischen 6,6-Millimeter- Klinkenformat findet sich eine vierpolige XLR-Buchse für symmetrischen Anschluss, was bei hochwertigen Kopfhörern heutzutage ja durchaus üblich ist.   

Ein Blick auf die Rückseite offenbart ein erkleckliches Maß an Anschlussvielfalt: Digital darf man per USB-C, zweimal koaxial, zweimal optisch und einer AES/ EBU-Buchse andocken, das sollte für alle Lebenslagen genug sein – vom Fehlen einer Bluetooth-Konnektivität mal abgesehen. Für analoge Quellen gibt‘s zwei unsymmetrische und zwei symmetrische Eingänge zusätzlich zum Phono-Anschluss. Lautsprecher finden per China-Polklemmen in Naja-Qualität Anschluss, wir freuen uns über einen symmetrischen und einen unsymmetrischen Vorstufenausgang.  

Technik 
Unterm gedämmten und stabilen Aludeckel findet sich ein ausgesprochen gehaltvoller Aufbau.
Vollverstärker Canor Virtus A3 im Test, Bild
Unter dem Blech steckt ein Kanal des diskret aufgebauten Phonoteils
Zunächst fällt das ungewöhnliche Kühlkonzept ins Auge: Die beiden kräftigen Endstufen kühlen ihre Endtransistoren nämlich über ein Heat- Pipe-System, bei der flüssigkeitsgefüllte Rohrleitungen die Wärme von den Halbleitern zu den hoch-effektiven Kühlkörpern leiten. Wenn ich nicht zufällig mal unter das Gerät geschaut hätte, wäre mir im Betrieb nicht aufgefallen, dass dort zwei Lüfter für zusätzliche Konvektion sorgen. Auf den beiden Endstufenplatinen finden sich je einer der von Canor bekannten Abschirmbecher, darunter ist das, was den Verstärker zur Hybridkonstruktion macht: Eine Doppeltriode vom Typ E88CC sorgt für das gewünschte Maß an Röhrentechnik. Den dicken Rinkgkern-Netztrafo sieht man fast überhaupt nicht, der versteckt sich unter der ausladenden Netzteilplatine. An der Geräterückwand gibt‘s kanalgetrennte Eingangsplatinen: Dort sind auch die diskret aufgebauten Phonomodule untergebracht, die sich weiteren neugiereigen Blicken durch abschirmende Bleche entziehen. Die Lautstärkeregelung erfolgt ebenfalls kanalgetrennt und feinfühlig per hochmoderner Chips, die digitale Eingangsseite wird mittels zweier feiner Wandlerchips vom Typ ESS9038 bedient, die alles wandeln können, was die Digitalwelt so bereithält – auch hier in feinster Doppelmono-Konfiguration. Uff. Das ist ne Menge und ich ziehen meinen Hut davor, wie die Konstrukteure diese Mengen von Technik in das gewiss nicht kleine Gehäuse eigepasst haben, hier wurde wirklcih kein Kubikzentimeter Raumluft verschwendet. Die Messtechnik gibt dem Konzept Recht, wir konnten nicht feststellen, dass sich hier irgendetwas gegenseitig stört.  

Hörtest 

In Sachen Lautsprecherwahl ist man beim Virtus A3 erfreulich frei. Die kräftige Endstufe domestiziert auch Wandler, die gerne an einer etwas kürzeren Leine geführt werden wollen. Wir haben uns für die brandneue Perlisten A4t entscheiden, die gerade zur Gast bei den Kollegen der HiFi Test ist und ein ziemlich mächtiges Boxen-Statement darstellt. Eingangsseitig war‘s einfach: Das Transrotor Figaro im bewährten Massimo Nero fühlt sich an 100 Ohm pudelwohl und wie üblich habe ich mich für die maximale Verstärkung entschieden. Jau. Das kann Druck. Die drei Herren von den „Spacelords“ mit ihrer 2016er Großtat „Liquid Sun“ beweisen das ganz eideutig. Es tönt satt, sonor, energiegeladen und nachdrücklich. Schön zu hören, mit welcher Akribie der Canor die Taten der drei Akteure aufdröselt. Das Album hat zwar nur drei Titel, die sind mit diesem Setup aber eine lohnende Urlaubsreise in unendliche Weiten. So ziemlich das exakte Gegenteil ist die Dokumentation von Townes van Zandts letzter Europatournee 1994/95. „In Pain“ ist eine faszinierende wie erschütternde Sammlung später Momente des großen Liedermachers, diese Kombi lässt uns eindrücklich an der Emotionalität des Augenblicks teilhaben – große Klasse. Nina Simone beweist Geschmeidigkeit und Grazie, Steely Dan demonstrieren Rhythmusgefühl auf höchstem Niveau – ganz erstaunlich für ein solches All-in-one-Gerät.  

Gemessenes: 
Vollverstärker Canor Virtus A3 im Test, Bild

Erfreuliches gibt es vom Virtus A3 auch aus dem Messlabor zu vermelden. Mit 106 Watt an acht und 205 Watt an vier Ohm erweist er sich als erfreulich kräftiger Vertreter seiner Zunft. Der Frequenzgang offenbart Kanalgleichheit und Linearität bis 100 Kilohertz, die Störspannungs- und Kanaltrennungswerte sind genau so in Ordnung (79,1 / 74,3 Dezibel(A) bzw. 78,6 / 73,2 Dezibel(A) bei einem Watt an acht / vier Ohm) wie die Verzerrungen (0,07 / 0,11 Prozent). Mit einer Leerlaufstromaufnahme von 92,7 Watt ist der Canor kein Kostverächter, der Verbrauch bleibt aber im Rahmen.  

Mitspieler 
Plattenspieler: 
  •  Transrotor Massimo Nero / Studio 12“ 

Tonabhehmer:
  •  Transrotor Figaro 

Lautsprecher: 
  •  Perlisten A4t 

Gegenspieler 
Vollverstärker: 
  •  D’Agostino Pendulum  

Gespieltes 

  • Spacelords: Liquid Sun 
  • Townes Van Zandt: In Pain 
  • Nina Simone: My Baby Just Cares For Me 
  • Steely Dan: Pretzel Logic 


Fazit

Canors brandneues Komplettpaket überzeugt mit einem kräftigen und exzellent klingenden Verstärkerteil, reichlich Funktionalität und einem originellen Bedienkonzept. Einer für alles!

KategorieVollverstärker
ProduktVirtus A3
HerstellerCanor
Preis6000 Euro
Getestet vonHolger Barske
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Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

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Subtil - Röhrenvollverstärker Phasemation SA-1500

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Holger Barske
Redakteur / Tester

Holger Barske


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