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Musikrezension > Platte > 25.09.2025

Christoph Bouet – Angels Drown


Genre: Folk-Music

Auf den ersten Blick könnte man denken: Was haben Malerei und Musik schon gemeinsam? Wenn man tiefer darüber nachdenkt, ziemlich viel! Beide Kunstformen sprechen direkt unsere Emotionen an und schaffen es, uns in andere Welten zu entführen - nur eben über verschiedene Sinne. Auch sind sich Maler und Musiker in ihrer Persönlichkeit oft ähnlich. Sie sind kreativ, experimentierfreudig und haben meist ein feines Gespür für Rhythmus und Harmonie. Nicht umsonst spricht man von „Farbklängen“ oder der „Melodie einer Landschaft“. Viele Künstler bewegen sich auch fließend zwischen beiden Welten, wie zum Beispiel Wassily Kandinsky, der seine abstrakte Malerei direkt von der Musik inspirieren ließ. Die Fans beider Kunstrichtungen haben ebenfalls Gemeinsamkeiten, sie schätzen Tiefe und lassen sich gerne überraschen, vor allem suchen sie aber nach emotionalen Erlebnissen, die sie über den Anblick von Bildern oder das Hören von Musik zu befriedi-gen versuchen. Ob vor einem Gemälde oder beim Abspielen einer LP – beide Gruppen nehmen sich bewusst Zeit, um Kunst auf sich wirken zu lassen. Die Synästhesie-Künstler, die Töne als Farben wahrnehmen oder umgekehrt, treiben es dabei auf die Spitze und zei-gen uns damit, wie eng Malerei und Musik tatsächlich verwandt sind.  

In materialisierter Form kennen wir diese Verwandtschaft spätestens durch die diversen Veröffentlichungen des von Rainer Haarmann ins Leben gerufenen Labels Edition Longplay, in der 18 LPs und 12 LP-Boxen erschienen sind, die die beiden Disziplinen Musik und Malerei, aber auch andere gestalterische Ausdrucksformen, so nah zusammengebracht haben, wie keine Werke zuvor. Der Künstler Christoph Bouet geht in dieser Hinsicht noch einen Schritt weiter, denn während in der Edition Longplay Musik und Kunst aus jeweils unterschiedlichen Hän-den kamen, ist die Gesamtgestaltung der Aufsehen erregenden Box „Angels Drown“ das Ergebnis seiner alleinigen schöpferi-schen Tätigkeit - und das nicht zum ersten Mal. Auch sein 2023 erschienenes Album „Roadkill Madness“ ist in einer Auflage von 111 Exempla-ren mit jeweils originaler Zeichnung, einem Kunstdruck mit Autogramm, einem 100-seitigen Buch und weiterer Ausstattung erhältlich gewesen und jetzt so gut wie vergriffen. Außerdem wurde es in weiteren, unterschiedlich ausgestatteten Bundles angeboten.   

Für „Angels Drown“ hat Christoph Bouet ebenfalls verschiedene Darreichungsformen kreiert, die von der klassischen LP in schwarzem Vinyl über eine Ausgabe mit leuchtend oranger LP bis hin zu einem reichlich ausgestatteten „Black Edition Box Set“ reichen, das nur noch durch das zur Rezension vorgelegte „Gold Edition Box Set“ übertroffen wird. Dieses ist in einer Auflage von 55 Exemplaren erhältlich und beeindruckt mit geradezu verschwenderischer Ausstattung. Der LP auf schwarzem Vinyl im Gatefold Cover, darin ein Poster sowie ein einleitendes Booklet für die erste Übersicht, hat Christoph Bouet, der neben der Malerei mit Öl und Bleistift auch die Polaroid-Fotografie zu seiner künstlerischen Ausdrucksform zählt, weiteres Anschau-ungsmaterial zugefügt. Dazu gehört ein 124 Seiten umfassendes Buch, das alle Zeichnungen der „Showgirls“ enthält, die er für die „Gold Edition“ angefertigt hat. In jeder Box liegt eine davon im Origi-nal, eingeklebt in einem hochwertigen Passepartout, das nur darauf wartet, vom Käufer mit einem zur Einrichtung passenden Rahmen versehen zu werden. Weitere 30 Zeichnungen zeigen die Motive, von denen ein Original jeder zehnten LP (Black Chase Edition) beigefügt ist. Eingeleitet wird das Buch durch 13 Aktbilder, die Christoph Bouet in einer auf eben diese Menge limitierten „Custom Gold Edition“ im Original beigelegt hat, zusammen mit einer Portrait-Zeichnung, die sich in ihrer Gesamt-heit ebenfalls im Buch nachschlagen lassen. Weiterhin ist der hochwertige Druck einer Lithografie beige-fügt, sowie ein Set aus zehn Polacards im A6-Format, die eine sehr edle Anmutung haben. Als weiteres Highlight ist eine originale Polaroid-Fotografie enthalten, die wiederum in ein Passepartout eingeklebt ist. Bevor man sich der LP widmet, kann der Besitzer einer solchen Box also zunächst reichlich Zeit mit dem Auspacken und der Be-gutachtung der Kunstwerke verbringen.  

Das Booklet lässt einen wissen, dass es sich bei der Zeichnung auf dem Cover um ein Portrait der ägyptischen Muttergöttin Hathor handelt, die unter anderem verehrt wurde als Göttin der Liebe, Musik und Schön-heit. Damit ist sie gut gewählt, um den Besitzer in die Inaugenscheinnahme dieses kleinen Kunstschatzes zu begleiten. Christoph Bouet hat von Anfang seiner Betätigung als Musiker an auf das Medium Vinyl gesetzt und alle Studio-Alben und EPs ausschließlich auf diesem Medium veröffentlicht (von einer limitierten Musikkassette und eines USB-Sticks abgesehen). Passend zur hohen Qualität der künstlerischen Be-standteile ist auch die Güte der LP-Pressung. Diese liegt satt auf dem Teller und gibt außer der Mu-sik keine störenden Nebengeräusche von sich, die die seelenvolle Performance von Christoph Bouet stören würden. Diese ist angesiedelt in Gefilden, die erfolgreich von Größen wie J. J. Cale oder Neil Y-oung beackert wurden und in den acht neuen Stücken ihre moderne Fortführung erfahren. Christoph Bouet hat diese nicht nur alle selbst komponiert, sondern spielt auch sämtliche Instrumente selbst und hat das Album auch noch im Alleingang produziert. Darüber hinaus hat er die Musik im eigenen Studio eingespielt und veröffent-licht wird es natürlich auf 1301 Media, seinem eigenen Label. Hannes Bieger ist für die Abmischung im wun-derbar analog klingenden Sound verantwortlich und die hoch geschätzten Emil Berliner Studios haben letzte Hand angelegt, bevor das Mastertape zu Pallas ging, die daraus eine außergewöhnlich qualitative LP hergestellt haben.  

Ausgangspunkt der Kompositionen, die Christoph Bouet teilweise schon länger beglei-ten, ist der 1980 entstandene Dennis Hopper-Film „Out of the Blue“, der ihn zum Titelsong „Angels Drown“ inspirierte. Die Lieder berichten von den Überlebens-kämpfen der Frauen, die sie an so unterschiedlichen Orten wie dem Gefängnis, auf der Straße oder auch der eigenen Familie ausfechten müssen. Oft gehen sie, unbe-achtet von außen, in diesen ständigen Auseinandersetzungen unter und werden dadurch zu „ertrinkenden Engeln“, die der Unbill des Lebens am Ende nichts entgegenzusetzen haben. Christoph Bouet singt mit einer klaren Artikulation, die seiner warmen Stimme viel Ausdruckskraft verleiht. Als Hauptinstrument steht die Gitarre im Vordergrund, mal akustisch, mal elektrisch, mal solo, mal eingerahmt von Schlagzeug, Bass und Mundharmonika. Da kommt stellenweise auch echte Lagerfeuerromantik auf, wobei man sich dann die Frage stellen kann, wofür man Chris-toph Bouet mehr Anerkennung zollen muss. Für die berührende und wirklich hochklas-sige Musik, die das Emotionszentrum des Hörers direkt anzusprechen vermag, oder für die Zeichnungen, auf denen man auch aufgrund der vielen Details seine Augen gerne länger verweilen lässt und der extrem gut klingenden LP mehrere Durchläufe gönnt, um die Betrachtung passend akustisch zu untermalen. 


Fazit

KategoriePlatte
ProduktChristoph Bouet – Angels Drown
Hersteller1301 Media
Preis0 Euro
Getestet vonRalf Henke
Vorheriger Test

Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

Nächster Test

Ausgependelt - Vollverstärker D’Agostino Pendulum

Logo LP:Magazin

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Ralf Henke
Redakteur / Tester

Ralf Henke


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