Plattenspieler Gold Note Mediterraneo X im Test, Bild
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Einzeltest > Plattenspieler > 24.04.2025

Die X Files

2022 zum 10-jährigen Jubiläum als Topmodell von Gold Note vorgestellt, fußt der X auf dem gut eingeführten Mediterraneo, geht aber deutlich über ihn hinaus. Wie deutlich genau?

Plattenspieler Gold Note Mediterraneo X

Bevor ich mich damit beschäftige, liefere ich wie immer ein wenig Hintergrundwissen. Wie zum Beispiel MastersounD hatte Gold Note bereits seit Jahrzehnten Produkte für andere Firmen entwickelt, gefertigt und dabei auch den einen oder anderen eigenen Versuch mit unterschiedlichen Markennamen gestartet, bevor Maurizio Aterini 2012 zusammen mit seiner Frau und einem Partner die Firma startete, deren Produkte wir heute unter dem Markennamen Gold Note kennen. Aterini hat schon als Ingenieurstudent Hifi -Geräte modifi ziert und während seines Studiums begonnen, einen eigenen Plattenspieler zu entwickeln.

Mediterranes
Der „X“ ist der größte der normalen Plattenspieler von Gold Note, darüber gibt es noch die Ultramodelle Bellagio Reference und Bellagio Conquest mit eigenem Laufwerkstisch. Optisch unterscheidet ihn erst einmal wenig von seinem Namensvetter, bei genauerem Hinsehen findet sich doch so einiges. Das Projekt Mediterraneo X wurde wie erwähnt 2020 für das zehnjährige Jubiläum von Gold Note aus der Taufe gehoben und pünktlich fertig gestellt. Da der Mediterraneo ihr wichtigstes Modell ist, bekam er die Ehre, das X steht für die lateinische 10.

Grundsätze

Das Originaldesign des Plattenspielers ist vom Architekten Stefano Bonifazi, der alle Produkte, seien es Lautsprecher oder Elektronik designed. Er wird dabei vom jungen Industriedesigner Marco Attal unterstützt, was für ein Luxus. Für die Mechanik waren Flavio Lenzi, der auch Elektrotechnik- Ingenieur ist und Maurizio Aterini selbst zuständig. Um die Elektronik kümmerten sich David Scandagli und Giovanni Rialti, die Top-Ingenieure von Gold Note. Und schließlich wurde die Soft- bzw. Firmware für die Motorsteuerung, die Geschwindigkeitseinstellung, die Torquemodi und das Benutzerinterface vom Gold Note Softwareingenieur Stefano Bellucci programmiert. Was für ein Team! Dass sich Gold Note einen Hausdesigner leistet, lohnt sich, denn der Mediterraneo X ist wirklich ein Hingucker. Aber von seinem edlen, ja ikonischen Aussehen sollte man sich nicht täuschen lassen. Denn wie bei jedem guten Produktdesign ist der Look kein Selbstzweck. Das sogenannte CLD-Design (Constraint Layer Design) ist ein effektiver Materialmix zum Zweck der Resonanzoptimierung und Klangmaximierung. Die untere Hälfte der Zarge ist aus massivem Walnussholz wellenförmig gestaltet und soll an die Wellen des nahem Mittelmeers erinnern. Den von mir CLD genannten Materialmix verstehen die Toskaner aus ihrer Tradition heraus anders. Dort spricht man von Kettenlinien, die zum Beispiel mittelalterliche Pfeiler so stabil und haltbar machten. Im 16. Jahrhundert waren Florenz und die Toskana das Zentrum von Kunst, Handwerk und Technologie in Europa – Michelangelo lässt grüßen. Dasselbe gilt für Venedig, wo manche Brückenpfeiler mehr als tausend Jahre alt sind. Die wissen also, was sie tun, die Italiener.

Unterschiede
Der Mediterraneo X hat dieselbe dreilagige Zarge wie der ohne X, allerdings mit teilweise anderen Materialien. Die Oberseite besteht aus Aluminium statt Acryl. Aus einem 22 mm Block gefräst, stecken da die Elektronik und das Touchscreen Display drin.

Plattenspieler Gold Note Mediterraneo X im Test, Bild
Das Präzisionpully mit dem tiefliegenden Riemen sorgt auch für den tollen Drive
Das Alu wird dann dreifach versiegelt, um es vor fi esen Fingerabdrücken und Umwelteinflüssen zu schützen. Die Fläche soll so auch korrekt geerdet werden, damit keine parasitären Ströme oder Kapazitäten auftreten und Interferenzen auf dem Touchscreen-Display erzeugen. Der elegante untere Teil wird aus italienischem Nussbaum Vollholz gefertigt und ist größer und schwerer als die des Standard-Mediterraneo, um das Lager und den Motor komplett einbetten zu können. Die beiden Lagen werden mit einer 3 mm starken Schicht Edelstahl verbunden. Die unterschiedlichen Resonanzeigenschaften der Materialien sollen unerwünschte Schwingungen ideal absorbieren und ableiten. Die geteilte Spindel ist 60 mm lang und wird aus poliertem und hitzebehandeltem C40-Stahl gefertigt. Sie soll laut Aterini den größtmöglichen Abstand zwischen Lagerkontakt (Kugel) und Eintauchpunkt der Abtastnadel ermöglichen, was wünschenswert sei. Das Lager dreht nicht wie beim Standardmodell auf einem Bronzelagerspiegel sondern auf einem aus POM, die Tungstenkugel ist einer aus Keramik gewichen. Es lässt sich auch das Drehmoment des neuen Motors per Display einstellen, worauf ich im Klangteil noch eingehe. Dieses Touchdisplay erlaubt außerdem Geschwindigkeits- und Drehzahleinstellung und man kann damit ein Feature steuern, das ich noch nie bei einem Plattenspieler gesehen habe: einen Timer. Was vielleicht im ersten Moment skurril wirkt, macht Sinn, denn so kann man die Spieldauer von bis zu drei Tonabnehmern nachvollziehen, ohne lästige Strichlisten führen zu müssen. Dazu muss man den Timer manuell starten, wenn die Nadel in die Rille sinkt. Die Funktion, dass dieser Moment elektronisch erfasst wird, war offensichtlich nicht machbar. Und schlussendlich ist der Teller nach vielen Versuchen ein Sandwich aus Aluminium und POM geworden. Seine Basis von 46 mm Dicke wird aus Vollalu gefräst und mit einem POM-Donut versehen, wie Tom Dolfi von Gold Note es so nett formuliert. Er wiegt nun mit über 7 kg auch deutlich mehr als der Standardteller aus POM. Der Motor ist mittels Elastomeren von der Zarge entkoppelt und sitzt in einer Aluhalterung, die ebenfalls mit hauseigenen Unterlegscheiben aus Harz ruhig gestellt wird. Die drei Spikes des X werden wie die Topplatte aus massivem Alu gefräst. Der Tonarm ist derselbe wie beim Standard-Mediterraneo. Er besteht aus mehr als 100 Einzelteilen, das Armrohr ist aus Titan, die restlichen Metallteile aus Aluminium. Seine kardanischen Lager arbeiten mit Keramikkugeln aus deutscher Fertigung.

Kleine Details
Was mir vor einigen Jahren schon beim Giglio aufgefallen ist, verstehe ich bis heute nicht: warum lässt sich das Gegengewicht des Meditteraneo X so schwer auf die Armachse aufschieben? Natürlich habe ich die Madenschraube im Gewicht gelöst und doch muss ich viel mehr Kraft aufwenden, als es dem Lager lieb sein kann. Dasselbe gilt für die Plattenklemme, deren Insert sich nur durch einen Trick auf den Lagerdorn aufsetzen und dann wieder fixieren lässt. Dumm nur, dass der Trick nicht in der Anleitung beschrieben ist. Dasselbe gilt auch für die Auflagekraft des Da Vinci Tonabnehmers – im mitgelieferten „Manual“ steht sie nicht. Da ist aus meiner Sicht ein wenig Nachbesserung nötig.

Klangkönnen
Wer denkt, der Mediterraneo X sei ein Designergerät, hat entweder meinen Text nicht gelesen oder noch nie ein Gold Note Produkt gehört. Der Mediterraneo X spielt mit dem hauseigenen Da Vinci MC-Tonabnehmer sehr neutral, knackig und flüssig. Er erinnert eher an einen Reibradspieler als an ein riemengetriebenes Laufwerk. Aber der Reihe nach. Ich will erneut zwei Platten hören, die ich auch schon auf den Giglio aufgelegt habe. Nicht, dass ich mich wirklich erinnern könnte, wie genau sie geklungen haben, meine Notizen geben aber dazu einiges her und ich will sie mit den neuen vergleichen. Roisin Murphys Album „Take Her Up To Monto“ ist so eine unbeschreibliche Mixtur aus Pop und Elektro und noch ein wenig mehr. Hatte ich damals das Gefühl im Publikum zu sitzen, komme ich ihr jetzt noch näher und fühle mich, als säße ich im V.I.P. Sessel direkt vor der Bühne und bekäme ein Privatkonzert geboten. Der Mediterraneo X scheint das möglich zu machen, indem er Laufruhe, Drive und Authentizität verbindet und mich ganz nahe an diese Musik heran bringt. Eigentlich wirkt sie auf Konserve längst nicht so einzigartig wie live und auch dieses Element scheint er auf magische Weise zu ergänzen. Die fetten und sehr tiefen Bässe bringen ihn dabei genau so wenig aus der Ruhe, wie die weit aufgespannte Bühne und die synthetischen Hochtonanteile seine Aufl ösungsfähigkeiten ernsthaft herausfordern können. Das ist schon einmal deutlich mehr, als sein Mittelklasse-Kollege kann, der dabei wahrlich nicht schlecht spielte. Und wie ist das mit Sonny Rollins und seinem Klassiker „Tour de Force“? Kann er unseren Mr. X an seine Grenzen bringen? Natürlich nicht. Wie ein edles Schiff im tosenden Mittelmeer dreht er stoisch seine Runden und lässt den Giganten des Tenorsaxophons seine Geschichten erzählen. Wenn ich den Torque, zu deutsch Drehmoment-Modus, voll ausschöpfe, klingt es, als würde Rollins gleich abheben. Stelle ich den Modus etwas niedriger, kann der arme Mann im übertragenen Sinn auch mal durchschnaufen. Das kann, je nach Musik und Aufnahme richtig Spaß machen. Der Mediterraneo X klopft mit seinem unbeirrbaren Aufl ösungsvermögen und der involvierenden Spielweise im Analogolymp an. Auch wenn das jetzt Griechisch war und nicht Latein. Die Italiener mögen es mir verzeihen.


Unterm Strich...

» Der Gold Note Mediterraneo X ist ein Plattenspieler, den man mit seinem unverwechselbaren Design und seinem unbestechlichen Klang den Kindern vererben kann. So lebt Analog weiter.

KategoriePlattenspieler
ProduktMediterraneo X
HerstellerGold Note
Preis11990 Euro
Getestet vonChristian Bayer
Vorheriger Test

Einflussreich - Röhrenvorverstärker Air Tight ATC-7

Nächster Test

Ankommen - Röhrenendstufe Air Tight ATM-1E

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Christian Bayer
Redakteur / Tester

Christian Bayer


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